Fossil des Monats April 2020
Gesteinsblock Rhynie Chert
Gesteinsblock „Rhynie Chert“ (Vorderseite poliert), SNSB-BSPG 2013 V
Unterdevon, ca. 410 Millionen Jahre, Rhynie, Aberdeenshire, Schottland
Höhe des Blocks: ca. 15 cm
Eigentlich ist unser Fossil des Monats April kein Fossil im engeren Sinn, sondern ein Gestein, in welchem unterschiedliche Organismen als Fossilien erhalten sind. Jedoch ist dieses Gestein, der Rhynie Chert aus dem Unterdevon von Schottland, etwas ganz Besonderes, da Bereiche eines etwa 410 Millionen Jahre alten terrestrischen Ökosystems nahezu komplett erhalten sind, wodurch es zu einem einzigartigen Zeugnis vergangener Lebensformen geworden ist.
Im Unterdevon lag die Gegend um die heutige Ortschaft Rhynie etwa 28° südlich vom Äquator und war Teil des auch als „Old Red“ bezeichneten Kontinents Laurussia. Die Landschaft bestand aus kleinen Flüssen und Tümpeln, von denen viele regelmäßig mit heißem Wasser aus hydrothermalen Quellen gespeist wurden, was zu temporären Überflutungen führte. Die mit Silikat übersättigten Wässer bewirkten beim Abkühlen eine so weitreichende Verkieselung aller in ihm befindlichen Organismen, dass diese im sich bildenden Gestein nahezu komplett erhalten geblieben sind.
Die Entdeckung des Rhynie Cherts geht auf den schottischen Geologen W. Mackie zurück, der 1912 auf das Gestein aufmerksam wurde, woraufhin gezielte Grabungen veranlasst wurden. Zwischen 1917 und 1925 erstellten die britischen Paläobotaniker R. Kidston und W.H. Lang dann mehrere grundlegende Arbeiten, in denen sie vorrangig die Pflanzenreste, aber auch Mikroorganismen beschrieben. Etwa zur selben Zeit wurden auch die ersten Arbeiten zu den tierischen Fossilien im Rhynie Chert publiziert. Danach wurde es ruhig um den Rhynie Chert, bis die Münsteraner Paläobotaniker W. Remy, R. Remy und H. Hass in den 1980er Jahren anfingen, sich eingehender mit den Rhynie Chert Pflanzen und Pilzen zu beschäftigen. Remy und andere legten den Grundstein für die systematische Erarbeitung des mikrobiellen Lebens im Rhynie Chert, die bis heute – auch in München – fortgesetzt wird.
Im Paläoökosystem von Rhynie gab es einfach gebaute frühe Landpflanzen, Gliederfüßler (z.B. Krebse, spinnenartige Tiere, Milben, Hundertfüßer), Würmer sowie zahlreiche Mikroorganismen (Bakterien, Cyanobakterien, Pilze und Algen). Auch Räuber-Beute Beziehungen und so-genannte food webs (Nahrungsketten) konnten an Hand von Koprolithen (fossile Kotballen) rekonstruiert werden. Die Verbindungen mikroskopischer Pilze mit den frühen Landpflanzen sind von besonderem Interesse, da man bis heute aus keiner anderen Lokalität weltweit derart gut erhaltene und detaillierte fossile Belege dafür kennt.
Das Fossil des Monats April zeigt zahlreiche Achsen einer frühen Landpflanze (Aglaophyton majus) im Querschnitt. Zwischen den Achsenlagen befinden sich dunkle Substratlagen, die für die Pflanzen den Untergrund bildeten, sowie Schichten aus abgestorbenen Pflanzenteilen. Das Stück wurde der Münchner Staatssammlung im Herbst 2019 durch Herrn Ludwig Lang (Ehekirchen) für die Forschung überlassen.
Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei (1,4 MB) zum Download bereit.
Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.