Fossil des Monats September 2020

Plattenkalk-Kalkflagellat

Retecapsa escaigii (Noël 1965) Young & Brown 2014, SNSB-BSPG 2020 I 1-0384

Ober-Jura (ca. 153 Millionen Jahre), Painten-Formation, Painten, Niederbayern, Deutschland

Durchmesser (Coccolith): ca. 0,005 mm

Kalkflagellaten, auch Coccolithophoriden genannt, sind eine Gruppe komplexer einzelliger Algen, die zu den meeresbewohnenden Haptophyta gehören. Diese erst seit dem frühen Erdmittelalter (Ober-Trias) bekannten Algen, zeichnen sich durch einen kalzitischen kugeligen Körper (die sogenannte Coccosphaere) aus, der den organischen Zellkörper umschließt. Die einzelnen Kalkplättchen derartiger Coccosphaeren werden als Coccolithen bezeichnet. Mit einer Gesamtgröße von meist weniger als 20 Mikrometern (=0,02 Millimeter) sind diese mit dem bloßen Auge nicht sichtbar und offenbaren sich dem Betrachter erst unter Zuhilfenahme hochauflösender Mikroskope.

Heute leben Kalkflagellaten „schwebend“, als Bestandteil des Phytoplanktons, vor allem in den lichtdurchfluteten Bereichen unserer Ozeane. In einigen Zeitabschnitten unserer Erdgeschichte waren Coccolithophoriden in den damaligen Ozeanen derartig häufig, dass sie ganze Gesteine gebildet haben, beispielsweise die weiße Schreibkreide – bekannt unter anderem von den majestätischen Kreidefelsen von Rügen, Møn und Dover.

Für die Geowissenschaften sind Kalkflagellaten von besonderer Bedeutung. Mit diesen können einerseits genaue Altersbestimmungen von Sedimentgesteinen vorgenommen werden. Andererseits sind Coccolithophoriden sensitiv gegenüber Umweltveränderungen und „speichern“ präzise Aussagen zur Temperatur, dem Salz-, Nährstoff- und Kohlendioxid-Gehalt des Oberflächen-Meerwassers und ermöglichen so Aussagen zur Klimageschichte unseres Planeten.

Unser Fossil des Monats September 2020 stammt aus organisch reichen Plattenkalken des Ober-Juras von Bayern, die durch ihren Fossilreichtum an marinen, aber auch terrestrischen Organismen bereits seit Jahrhunderten bekannt sind. Im Fossilbericht zerfallen die Coccosphaeren der Kalkflagellaten sehr leicht, so dass oft nur die einzelnen Kalkplättchen, die Coccolithen, übrig bleiben. So auch im vorliegenden Fall. Die hier vorgestellte Art Retecapsa escaigii zeichnet sich durch ihre reguläre Placolithenform mit mittig gelegenem Kreuz sowie den zahlreichen schmalen Querstreben aus. Sie gehört mit einem Durchmesser von ~5 Mikrometern (= 0,005 Millimetern) zu den mittelgroßen Vertretern der Kalkflagellaten. Neben der hier im rasterelektronenmikroskopischen Foto (Falschfarben-Bild) präsentierten Art – Retecapsa escaigii – enthält das Plattenkalk-Stück noch mehr als 30 weitere Kalkflagellaten-Arten.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei (2,3 MB) zum Download bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.