Fossil des Monats November 2020
Armleuchteralge – Palaeonitella cranii
Armleuchteralge Palaeonitella cranii (Kidston et Lang) Pia
SNSB-BSPG 2013 XIV 8
Unterdevon, ca. 410 Millionen Jahre, Rhynie Chert, Rhynie, Aberdeenshire, Schottland;
Höhe des Fossils: ca. 0,8 mm
Unser Fossil des Monats November ist ein nur wenige mm großer Teil aus dem Pflanzenkörper (Thallus) der Alge Palaeonitella cranii (Kidston et Lang) Pia, der im berühmten unterdevonischen Rhynie Chert aus Schottland strukturbietend erhalten ist.
Im Unterdevon lag die Gegend um die heutige Ortschaft Rhynie etwa 28° südlich vom Äquator und war Teil des auch als „Old Red“ bezeichneten Kontinents Laurussia. Die Landschaft bestand aus kleinen Flüssen und Tümpeln, von denen viele regelmäßig mit heißem Wasser aus hydrothermalen Quellen gespeist wurden, was zu temporären Überflutungen führte. Die mit Silikat übersättigten Wässer bewirkten beim Abkühlen eine so weitreichende Verkieselung aller in ihnen befindlichen Organismen, dass diese im sich bildenden Gestein nahezu komplett erhalten geblieben sind. Die Fossilien, die anhand von Dünnschliffen mikroskopisch untersucht werden können, zeigen nahezu alle anatomischen Details der Organismen sowie viele Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Organismen.
In den Flüssen und Tümpeln lebten viele verschiedene Algen, die meisten davon einzellig oder koloniebildend und mikroskopisch klein, aber es gab auch größere Vertreter, darunter Palaeonitella cranii, ein zu den Armleuchteralgen (Charophyceae) gerechneter, im Rhynie chert recht häufig angetroffener Organismus. Armleuchteralgen sind eine kleine, isoliert stehende und recht urtümlich anmutende Gruppe von Süßwasseralgen (gelegentlich auch im Brackwasser), die wissenschaftlich von Bedeutung ist da man sie als Teil der Evolutionslinie hin zu den höheren Landpflanzen ansieht. Man findet sie heute weltweit; fossil sind sie seit dem oberen Silur (ca. 425 Millionen Jahre) bekannt. Die Pflanzen, die im Bau etwas an Schachtelhalme erinnern, bestehen aus Rhizoiden (wurzelähnliche Fäden), die die Pflanze im Boden verankern, sowie einer, aus regelmäßig angeordneten, langen und kurzen Zellen bestehenden Hauptachse, welche in Abständen Seitenäste in Wirteln (Quirlen) abgibt. Die Seitenäste sind ebenfalls regelmäßig unterteilt. Fossil werden von den Armleuchteralgen überwiegend die dickwandigen, verkalkten Produkte der sexuellen Fortpflanzung (Oosporen) gefunden, die man Gyrogonite nennt, und die manchmal auch gesteinsbildend vorkommen (Gyrogonit). Fossilien ganzer Thalli sind eher selten.
Das Fossil des Monats spiegelt den typischen Aufbau der Armleuchteralgen wider. Man erkennt in der Mitte des Bildes die Hauptachse aus langen, mehr oder weniger zylindrischen Zellen (Internodienzellen) sowie kurzen Knotenzellen (Nodien), von denen in wirteliger Anordnung Seitenäste abgehen, die wiederum regelmäßig unterteilt sind und weitere Ästchen in wirteliger Anordnung abgeben können. Palaeonitella cranii wurde 1921 entdeckt und beschrieben; das Fossil verdankt seinen Nahmen der Ähnlichkeit mit Vertretern der heutigen Armleuchteralgengattung Nitella C. Agardh. Palaeonitella cranii ist bis heute die einzige, aus dem Rhynie Chert beschriebene Armleuchteralge – allerdings mehren sich in letzter Zeit die Hinweise, dass es dort noch weitere Vertreter dieser Algengruppe gegeben hat.
Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei (1,5 MB) zum Download bereit.
Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.