Fossil des Monats November 2021

Schnecke mit Innenfalten

Nerinea (Ptygmatis) sp., SNSB-BSPG 2011 VII 147

Oberer Jura (Tithonium, ca. 145 Millionen Jahre), Großmehring bei Ingolstadt, Oberbayern

Nerineen sind eine Gruppe von meist hochturmförmigen Schnecken, deren Schaleninneres durch Falten stark gegliedert sein kann. Sie bilden eine sehr artenreiche Gruppe, die vom frühen Jura bis ans Ende der Kreidezeit vorkam, von vor 200 bis 65 Millionen Jahren – Nerineen existierten also ca. 135 Millionen Jahre lang und erloschen beim großen Massenaussterben am Ende der Kreidezeit, dem auch die Dinosaurier und Ammoniten zum Opfer fielen. Sie lebten in warmen, flachen Meeresbereichen, häufig in Lagunen, wo sie zum Teil massenhaft auftraten und sogar Gesteine bildeten (Nerineen-Kalke). In den oberjurassischen Kalken Süddeutschlands, aus dem unser Exemplar stammt, kommen sie durchaus häufig vor.

Beim vorliegenden Exemplar ist die ursprüngliche Schale komplett weggelöst, so dass es als Hohlform erscheint. Die ehemals vorhandene Schale wird jedoch durch eine dünne Tapete von zuckrig erscheinenden Kalzit- und Dolomitkristallen nachgezeichnet. Man kann erkennen, dass die Schale genabelt war und dass die Windungen durch drei Falten stark verengt wurden: eine innere (an der Spindel: Columellarfalte), eine äußere (Palatalfalte) und eine obere (Parietalfalte). Falten kennt man auch von noch lebenden Schnecken, jedoch ist eine so starke und komplexe Verengung bei heutigen Meeresschnecken unbekannt. Daher ist auch die Funktion dieses Merkmals umstritten bzw. nicht ganz klar, denn lebende Tiere können nicht studiert werden. Im Prinzip können Falten dazu dienen den Weichkörper kontrolliert in die Schale zurück zu ziehen, so dass die Mündung der Schale passend mit dem Deckel (Operkulum) verschlossen werden kann. Insbesondere die Furchen, die die Columellarfalte begleiten, haben wahrscheinlich dem Muskel für den Rückzug als Schienen gedient. Die anderen Falten ermöglichten es mutmaßlich den Wasserdurchstrom durch die Mantelhöhle zu kanalisieren. Dieser diente der Versorgung des Tieres mit sauerstoffhaltigem Wasser und vermutlich auch mit Nahrung. Anders als die meisten anderen Meeresschnecken, strudelten die Nerineen wahrscheinlich nahrungshaltiges (z.B. Algen) Meerwasser ein und filterten die Nahrungspartikel heraus. Sie lebten möglicherweise teilweise eingegraben im Meeresboden. Nerineen konnten mit Schalenlängen von bis zu einem Meter beträchtliche Größen erreichen. Dies, ihre ungewöhnliche Morphologie und das Erlöschen am Ende der Kreidezeit machen die Nerineen quasi zu den Dinosauriern unter den Schnecken.

Alexander Nützel, München

Abbildung: Schnecke Nerinea (Ptygmatis) sp., Fossil des Monats November 2021, SNSB-BSPG 2011 VII 147, Länge des Fossils: 8 cm. Foto: SNSB-BSPG/M. Schellenberger.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (1,4 MB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.