Fossil des Monats Dezember 2021

Höhlenbär (Skelett der linken Hand)

Ursus spelaeus ROSENMÜLLER, 1794, SNSB-BSPG 2021 X 22

Quartär (Spätpleistozän, 29.000 Jahre alt), Zoolithenhöhle, Burggaillenreuth, Oberfranken, Bayern

Der Höhlenbär zählt zu den bekanntesten Tieren der europäischen Eiszeitfauna. Wie viele seiner Zeitgenossen starb er gegen Ende des Eiszeitalters vor etwa 23.000 Jahren aus. Er ist uns heute nur noch in Höhlenmalereien sowie durch seine Knochen und Zähne, die man sehr oft ebenfalls in Höhlen findet, überliefert. Daher bekam dieser Bär den wissenschaftlichen Namen Ursus spelaeus (ursus, lateinisch = Bär; spelaeum, lateinisch = Höhle).

Im 15., 16. und 17. Jahrhundert fanden Knochen aus europäischen Höhlen als Drachenknochen reißenden Absatz in Apotheken (daher Namen wie »Drachenloch« und »Drachenhöhle«), die sie als Heil- und Wundermittel verkauften. 1656 wurde erstmals die Vermutung öffentlich, dass diese Knochen nicht von Drachen, sondern eher von Säugetieren wie Bären stammen könnten. Aufgrund ihrer Größe interpretierte man sie eine Weile als Eisbärenreste. 1794 wagte Johann Christian Rosenmüller in seiner Dissertation die damals spektakuläre Zuordnung eines großen Bärenschädels aus der Zoolithenhöhle zu einer ausgestorbenen Art, die er Ursus spelaeus nannte. Damit wurde der Höhlenbär zur ersten ausgestorbenen Säugetierart, die einen wissenschaftlichen Artnamen erhielt und eine wichtige wissenschaftshistorische Bedeutung für die Etablierung der Säugetierpaläontologie hat.

Heute wissen wir, dass der Höhlenbär im engeren Sinn im westlichen Teil Europas vom Flachland bis in das Hochgebirge verbreitet war. Im Gegensatz zu der ursprünglich verbreiteten Ansicht, dieser Bär sei ein gefährlicher Räuber gewesen, belegen moderne chemische und funktionelle Studien seine rein pflanzliche Ernährung. Mit 0,5 m Schädellänge, 1,7 m Schulterhöhe, 3,5 m Körperhöhe bei aufgerichteter Haltung und 1200 kg Körpergewicht erreichten Höhlenbärmännchen Rekord-Ausmaße, die die heute lebender Bären klar übertreffen und nur vom ausgestorbenen nordamerikanischen Kurznasenbär (Arctodus simus) erreicht wurden.

Die großen Knochenansammlungen in Höhlen lassen sich mit einem Rückzugsverhalten der Bären zur Winterruhe erklären. Über mehrere zehntausend Jahre konnten sich so die unzähligen Überreste verstorbener Tiere ansammeln (bei einem toten Individuum in fünf Jahren wären das 1000 Individuen in 5000 Jahren), die als riesige Knochenlager in die Nacheiszeit überliefert wurden. Davon ging allerdings ein Großteil durch den Abbau für pseudomedizinische Zwecke verloren.

Das hier ausgestellte Skelett einer Höhlenbärenvordertatze besteht aus isoliert in der Zoolithenhöhle aufgesammelten Knochen, die in anatomisch korrekten Zusammenhang geklebt einen Eindruck der Tatzengröße vermittelt. Zu Lebzeiten waren die Knochen natürlich noch von Muskeln, Haut, Fell und Hornscheiden der Krallen umgeben. Wie für viele andere Säugetiere, einschließlich des Menschen, ist die fünfstrahlige Anatomie des Hand- und Fußskeletts auch für die Bären (Ursidae) charakteristisch.

Der Fundort Zoolithenhöhle hat wie oben beschrieben als Typuslokalität (= Lokalität von welcher der als erstes beschriebene und benannte Fund einer Art stammt) eine besondere Bedeutung für den Höhlenbären.

Gertrud E. Rössner und Anneke H. van Heteren, München

Abbildung: Handskelett von Ursus spelaeus; Länge 230 mm, H 50 mm, Breite 230 mm, Foto: SNSB-BSPG/M. Schellenberger

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (1,1 MB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.