Fossil des Monats Januar 2022

Einzelkoralle (Rugosa)

Acanthophyllum sp., SNSB-BSPG 2021 I 209

Dreimühlen-Formation, Mitteldevon (Givetium), ca. 380 Millionen Jahre, Kerpen, Eifel, Rheinisches Schiefergebirge; Länge des Fossils: 42 cm.

Die Entwicklungsgeschichte der Korallentiere, die ein Kalkskelett ausscheiden und damit Riffe aufbauen können, reicht ca. 500 Millionen Jahre bis weit in das frühe Erdaltertum zurück. Die altertümlichen Korallen (Rugosa und Tabulata) unterscheiden sich jedoch deutlich in Struktur und Symmetrie von den riffbauenden Steinkorallen der jüngeren Erdgeschichte (Scleractinia).

Unser Fossil des Monats gehört zu den rugosen Einzelkorallen. Ein einziger Korallenpolyp hat dieses große, massive Kalkskelett hervorgebracht. Die Oberfläche der rübenförmigen Koralle weist zahlreiche ringförmige Streifen bzw. Runzeln (daher auch der Name Rugosa, lat.: ruga = Runzel) auf, an denen sich der jährliche, monatliche, z. T. sogar tägliche Zuwachs des Korallenskeletts ablesen lässt. Anhand genauer Untersuchungen konnte hierbei ermittelt werden, dass das Jahr in der Devon-Zeit offensichtlich ca. 400 Tage umfasste. Diese Annahme stimmt überein mit astronomischen Studien, die von einer Verlangsamung der Rotationsgeschwindigkeit der Erde im Laufe der Erdgeschichte ausgehen (u.a. durch die gezeitenbedingte Bewegung der Ozeane).

Diese Einzelkoralle lebte im ruhigen Flachwasser innerhalb eines tropischen Meeresarms, der sich im Gebiet der Eifel zur Mitteldevon-Zeit bildete (»Eifeler Meeresstraße«). Die rugosen Einzelkorallen waren, im Gegensatz zu vielen anderen altertümlichen Korallen (Kolonie-bildende rugose und tabulate Korallen), nicht in der Lage echte Riffe auszubilden. Sie siedelten im Umfeld der Riffe, oftmals auf einem weichen, schlammigen Untergrund. Ein großer Teil des Skeletts steckte zu Lebzeiten vermutlich im Sediment und erhielt dadurch auch die nötige Stabilität im weichen Untergrund. Die immer wieder leicht abgewinkelte Längsachse sowie die Verjüngungen zeigen, dass die Koralle im Laufe ihres Lebens in ihrem Wachstum mehrfach beeinträchtigt war und sich zum Teil neu orientieren musste. Dies zeugt von instabilen Umweltbedingungen, die z.T. vermutlich mit episodisch erhöhtem Eintrag von Schlamm in Verbindung standen.

Bemerkenswert ist auch die starke Besiedlung der Oberfläche der Einzelkoralle. Hier tummeln sich Stromatoporen (kalkbildende Meeresschwämme) und tabulate Korallen (Aulopora serpens), die allesamt netz- und polsterartige Krusten bilden sowie andere kleine trichterförmige rugose Einzelkorallen. Dieser intensive Bewuchs erfolgte nach Absterben der großen Einzelkoralle, als das Skelett flach am Meeresboden lag und in der weichen schlammigen Umgebung einen begehrten »Hartgrund« für andere Lebewesen darstellte.

Martin Nose

Abbildungen:

Abb. 1: rugose Einzelkoralle Acanthophyllum sp. aus dem Mitteldevon der Eifel, Rheinisches Schiefergebirge; Länge: 42 cm; Inv.-Nr. SNSB-BSPG 2021 I 209; Foto: SNSB-BSPG/M. Schellenberger.

Abb. 2: Detailaufnahme von der Korallenoberfläche mit anderen aufgewachsenen Organismen (netzförmige tabulate Koralle Aulopora serpens und kleine trichterförmige rugose Einzelkoralle); Foto: SNSB-BSPG/M. Schellenberger.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (1,3 MB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.