Fossil des Monats Mai 2022

»Findelfossil«

? Prodeinotherium bavaricum, Unterer Stoßzahn, SNSB-BSPG 2022 I 3

Alter ?, Lokalität ?, Länge 31 cm, Höhe 10 cm, Breite 8 cm

Am 5. Januar 2022 wurde vor unserem Gebäude Richard-Wagner-Str. 10 in der Nähe des Haupteingangs ein gut erhaltenes Fragment eines Hauerelefanten-Stoßzahns gefunden, das dort wie ein Findelkind abgelegt worden war. Das »Findelfossil« war aufgrund der Außentemperaturen eiskalt und brauchte viele Stunden bis es Zimmertemperatur erreicht hatte. Deshalb gehen wir davon aus, dass es dort schon vor dem 5. Januar deponiert worden war. Wir freuen uns über dieses unerwartete Geschenk und bedanken uns dafür bei dem/der Spender*in.

Bedauerlicherweise waren keine Angaben zum Fundort beigelegt, womit dieses schöne Stück keinen wissenschaftlichen Wert besitzt. Denn nur mit genauen Angaben zum geologischen Fundkontext können die Informationen, die die Fossilien liefern (z.B. Artzugehörigkeit, zeitlich-räumliche Verbreitung, und isotopengeochemische Signatur), vollständig ausgewertet werden. Daher richten wir mit diesem Fossil des Monats einen dringenden Aufruf an den/die ehemalige/n Besitzer*in, die Angaben zum Fundort des Stücks bitte nachzureichen – gern auch anonym. Es wäre wirklich zu schade, wenn dieses schöne Stück nicht weiter wissenschaftlich berücksichtigt werden könnte.

Die Stoßzähne der Hauerelefanten sind typisch. Unser »Findelfossil« ist daher eindeutig zuzuordnen. Hauerelefanten (wissenschaftlich Deinotheriidae) waren, auch wenn der Name es annehmen lässt, keine Elefanten. Wie die Elefanten (Afrikanischer Elefant, Waldelefant, Indischer Elefant, †Wollhaarmammut und andere ausgestorbene Gattungen) waren sie groß und hatten säulenförmige Beine, einen Rüssel und Stoßzähne. Beide Tiergruppen zählen zur Großgruppe der Rüsseltiere (wissenschaftlich Proboscidea). Die Hauerelefanten haben sich schon sehr früh in der Evolution der Rüsseltiere von der Hauptlinie abgespalten. Sie besaßen einen relativ langen Hals sowie einen relativ langen und flachen Schädel. Auch ihre Backenzähne und die nach hinten gekrümmten Stoßzähne im ähnlich gekrümmten Unterkiefer unterscheiden sich deutlich von denen der Elefanten. Das Hauer-artige Aussehen der Stoßzähne gab den Hauerelefanten ihren Namen.

Vor ca. 18 Millionen Jahren wanderten die Hauerelefanten aus Afrika nach Eurasien ein und wurden auch in Mitteleuropa heimisch. Mit der zunehmenden Klimaabkühlung verschwanden die Hauerelefanten vor etwa 4–3 Millionen Jahren aus Eurasien und starben endgültig in Afrika vor etwa einer Million Jahren aus. Im Laufe ihrer Evolution nahm die Körpergröße von ca. 1 bis 2 m Schulterhöhe auf fast 5 m zu, womit sie deutlich größer waren als das größte heute landlebende Wirbeltier, der afrikanische Elefant.

Das »Findelfossil« zeigt die charakteristische Krümmung und den ovalen Querschnitt des Stoßzahns. Leider fehlt die untere Hälfte mit der Spitze und das obere Ende mit der Pulpahöhle, eine trichterförmige Vertiefung, die zu Lebzeiten des Tieres das Zahnmark enthielt und im Unterkiefer eingepflanzt war, so dass die Gesamtlänge im Vergleich mit anderen Funden nur geschätzt werden kann. Vor der Einbettung am Fundort wurde der Zahn im Wasser weit transportiert, was aus den stark gerundeten Bruchkanten hervorgeht. Am Zahn haften Reste des Glimmer-führenden rostbraunen Sandes in dem er eingebettet war, was auf eine Flusslandschaft als Ablagerungsraum schließen lässt. Ohne Fundstellenangabe sind jedoch weitere Aussagen zum Lebensraum, zum Alter und zur Artzugehörigkeit unmöglich. Daher hoffen wir den/die Vorbesitzer*in auf diesem Weg zu erreichen und somit Informationen zu den Fundumständen zu erhalten.

Gertrud Rössner, München

Abbildungen:

Foto: Das »Findelfossil«, ? Prodeinotherium bavaricum, SNSB-BSPG 2022 I 3; L x B x H: 31 x 8 x 10 cm. Foto: SNSB/BSPG – M. Schellenberger.

Die Abbildung einer Lebenrekonstruktion finden Sie bei Wikimedia.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (607 kB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.