Fossil des Monats Juni 2022
Amphib
Cyclotosaurus ebrachensis Kuhn, 1932, SNSB-BSPG 1931 X 1
Obertrias (ca. 230 Millionen Jahre), Ebrach, Oberfranken
Länge des Schädels: 34 cm
Bereits bald nach dem Auftreten der ersten Land-Wirbeltiere in der Zeit des Devon (vor ca. 390 Millionen Jahren) spalteten sich die sogenannten Tetrapoden (Vierfüßer) in verschiedene Entwicklungslinien auf. Eine dieser Entwicklungslinien waren die Temnospondyli, die im späten Erdaltertum (Paläozoikum) und zum Beginn des Erdmittelalters (Mesozoikum) eine der diversesten Landwirbeltiergruppen überhaupt darstellen. Die Temnospondyli sind eine der Gruppen, die traditionell als »Amphibien« bezeichnet wurden, also Lebewesen, die zumindest einen Teil ihres Lebenszyklus im Wasser verbringen und meist zwischen dem Larvenstadium und dem ausgewachsenen Tier eine Metamorphose durchlaufen, während welcher sich die Anatomie deutlich ändert. Während »Amphibien« heute jedoch nicht mehr als echte Gruppe, sondern eher als ein Entwicklungsstadium in der Evolution der Tetrapoden angesehen werden, handelt es sich bei den Temnospondyli vermutlich um »echte« Amphibien, da sie wahrscheinlich die Ahnen der heutigen Amphibien (die systematisch als Lissamphibien bezeichnet werden) beinhalten.
Wenn man von den Lissamphibien absieht – die ja heute noch mit mehreren tausend Arten vertreten sind – hatten die Temnospondylen ihre Blüte im späten Erdaltertum und zur Zeit der Trias (von vor 250 bis vor 200 Millionen Jahren). Am Ende der Trias starben die meisten Gruppen aus, und es gibt bisher nur wenige Funde aus der Zeit des Jura und der frühen Kreide, bevor diese Gruppe dann vor etwa 115 Millionen Jahren ausstarb. Während ihrer langen Evolutionsgeschichte erlangten die Temnospondylen auch ökologisch eine große Vielfalt und kamen sowohl auf dem festen Land, im Süßwasser, aber auch in flachen Meeresbereichen vor. Typisch für die Gruppe sind stark verknöcherte, abgeflachte Schädel, deren Knochen eine typische Ornamentierung aus Graten und Gruben aufweisen.
Cyclotosaurus gehört zu einer Gruppe großwüchsiger bis gigantischer Temnospondylen, den Mastodonsauriden, zu denen auch das größte bekannte Amphib gehört, Mastodonsaurus, der bis zu 6 m lang wurde. Diese großen Temnospondylen lebten in triassischen Seen und Flüssen und füllten dort wohl die ökologische Rolle der heutigen Krokodile aus, sie waren also wohl Lauerjäger, die Fische, aber auch Landwirbeltiere, die sich den Gewässern näherten, erbeuteten. Gegen Ende der Trias kamen die ersten Vertreter der Entwicklungslinie unserer heutigen Krokodile auf, aber diese Tiere waren damals noch eher kleine Landraubtiere – erst nach dem Verschwinden der Temnospondylen eroberten sie auch die ökologische Nische, in der wir sie heute kennen.
Oliver Rauhut, München
Abbildung:
Schädel von Cyclotosaurus ebrachensis aus der oberen Trias von Ebrach, Oberfranken. Länge: 34 cm. Foto: SNSB-BSPG/Georg Janßen.
Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei (1,7 MB) zum Download bereit.
Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.