Fossil des Monats August 2022

Meereskrokodil

Chenanisuchus lateroculi Jouve, Bouya & Amaghzaz, 2005

SNSB-BSPG 2001 I 40

Oberes Paläozän (ca. 58 Millionen Jahre), Umgebung von Oued Zem, Marokko

Die Krokodile sind eine wichtige Großgruppe der Reptilien. Zusammen mit den Dinosauriern, Flugsauriern und den Vögeln gehören sie zur Großgruppe der Archosaurier (»herrschende Reptilien«). Die Entwicklungslinien, die zum einen zu den heutigen Krokodilen und zum anderen (über die Dinosaurier) zu den Vögeln führen, trennten sich in der Trias, vor etwa 240 Millionen Jahren. Obwohl wir heute bei dem Wort »Krokodil« an die uns vertrauten semiaquatischen Lauerjäger denken, hat diese Gruppe im Laufe ihrer langen Geschichte viele verschiedene Anpassungstypen hervorgebracht und zahlreiche ökologische Nischen besetzt.

Die allermeisten der heutigen Krokodile leben in Seen und Flüssen, nur das australische Leistenkrokodil, eine der größten heutigen Arten, ist auch in der Lage, größere Distanzen im Salzwasser der Meere zurück zu legen. Im Erdmittelalter gab es jedoch verschiedene Gruppen von Krokodilen, die an das Leben im Meer angepasst waren. Unter diesen repräsentieren die Dyrosauriden, zu denen Chenanisuchus gehört, die letzten ausschließlich marinen Krokodile. Die Ursprünge dieser Gruppe sind vermutlich in der unteren Oberkreide in Afrika zu finden, wo auch ihre nächsten Verwandten, die gigantischen Pholidosauriden (zu denen unter anderem die bis zu 10 m lange Gattung Sarcosuchus gehört), vorkommen.

Nachdem die Dyrosauriden das Meer als Lebensraum erobert hatten, haben sie sich offenbar schnell verbreitet; gegen Ende der Kreidezeit findet man Vertreter dieser Gruppe unter anderem in Nord- und Südamerika, in Europa, in südlichen Teilen von Asien und in Afrika. Interessanterweise überlebten die Dyrosauriden offenbar als eine von wenigen Krokodilgruppen das große Massenaussterben am Ende der Kreidezeit ziemlich unbeschadet. Diese somit letzten marinen Krokodile überlebten noch bis in die Zeit des Eozän und starben dann vor etwa 50 Millionen Jahren aus. Was zu ihrem Aussterben geführt hat, ist noch unklar; interessanterweise ist das Eozän jedoch auch die Zeit, in der die ersten Wale im Fossilbericht auftreten, die vermutlich eine ähnliche Lebensweise wie die Dyrosauriden gehabt haben.

Dyrosauriden wurden bis zu 6 m lang und sind gekennzeichnet durch eine lange und schmale Schnauze und die großen oberen Schläfenöffnungen, ganz im Gegenteil zu modernen Krokodilen, wo diese Öffnungen klein oder sogar ganz geschlossen sind. Das deutet darauf hin, dass diese Tiere wohl überwiegend Fischfresser waren, die mit ihren langen Schnauzen rasch zupacken konnten, ähnlich dem heutigen Gavial. Chenanisuchus ist einer der primitivsten bekannten Dyrosauriden, und seine Schnauze ist noch nicht so stark verlängert wie bei fortschrittlicheren Formen. Zum Schwimmen nutzten die Dyrosauriden offenbar hauptsächlich seitliche Bewegungen des Schwanzes, ähnlich wie die heutigen Krokodile.

Oliver Rauhut, München

Abbildungen:

Abb. 1: Schädel von Chenanisaurus lateroculi aus dem Paläozän von Marokko in dorsaler Ansicht (Foto: SNSB-BSPG/Georg Janßen).

Abb. 2: Rekonstruktion des Skeletts eines Dyrosauriden (aus Schwarz et al. 2006).

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (1,3 MB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.