Fossil des Monats September 2022

Belemnit

Megateuthis sp., SNSB-BSPG 2014 XXI 87541

Mitteljura (unteres Bajocium), ca. 170 Millionen Jahre, Oberlangheim b. Lichtenfels, Oberfranken, Bayern

Länge des Fossils: 48 cm

Belemniten gehören zu den Kopffüßern (Cephalopoden) und gelten als Ausgangsgruppe der heute lebenden Tintenfische. Sie sind z. B. mit den heutigen Kalmaren nahe verwandt. Belemniten treten erstmals in der oberen Trias-Zeit, vor ca. 210 Millionen Jahren, auf und sterben am Ende der Kreide-Zeit, vor ca. 66 Millionen Jahren, aus. Typisch ist ein gestrecktes kalkiges Innenskelett, welches aus einem gekammerten Teil (Phragmokon) und einem aufgelagerten, torpedoförmigen Kalkkörper (Rostrum) besteht. Das Rostrum diente als Tariergewicht zum Einkippen des Tieres in eine horizontale Schwimmhaltung. Die Wohnkammer war bei den Belemniten stark zurückgebildet und bestand nur noch aus einem nicht verkalkten Vorsprung (Proostrakum), der auf dem Rücken des Tieres lag.

Fossil überlieferungsfähig ist, wie auch im hier vorgestellten Fall, in der Regel nur das massive Rostrum. Diese Rostren werden im Volksmund auch als Teufelsfinger oder Donnerkeile bezeichnet. Lange herrschte Unklarheit über die Natur dieser Objekte. Früher existierte u. a. die Vorstellung, dass es sich um Überreste von Schlachten handelt, was sicher mit der Ähnlichkeit mit Pfeilspitzen, Armbrustbolzen oder anderen Geschossen einherging. Dies erklärt auch den Namen, der sich vom griechischem belemnon (= Geschoss) ableitet. In seltenen Fällen sind auch mehr oder weniger komplette Belemniten-Tiere erhalten mit Rostrum, Phragmokon, Armkrone und sogar Weichteilen wie dem Tintenbeutel.

Die Belemniten-Tiere waren schnelle Räuber, die ihre Beute mit ihren mit Haken besetzten Fangarmen festhalten konnten. Zu ihrem Nahrungsspektrum gehörten vermutlich kleine Fische und Krebse. Die Belemniten-Tiere waren selbst auch begehrte Beute größerer Fische und Fischsaurier. Im Skelett eines Hybodus (ca. 3 m langer Hai) aus dem unterjurassischen Posidonienschiefer fanden sich ca. 250 Rostren, die z. T. noch die Abdrücke der mehrspitzigen Zähne zeigen.

Im Mitteljura öffnete sich der gesamte süddeutsche Raum in Folge eines ansteigenden Meeresspiegels und tektonischen Schollenbewegungen immer mehr zum Ur-Mittelmeer (Tethys) hin. Über ganz Mitteleuropa breitete sich, wie bereits im Unterjura, ein flaches Meer aus. Die Belemniten-Tiere lebten, wie die große Mehrheit der heutigen Tintenfische, freischwimmend (nektonisch). Der Körperbau und die Lebensweise ihrer Fressfeinde deuten darauf hin, dass sie sich im relativ flachen Wasser im Bereich der Küsten bewegten.

Megateuthis gehörte zu den größten Vertretern der Belemniten. Die im süddeutschen Raum bekannten Arten besitzen Rostren mit etwa 80 cm Maximallänge. Zudem wurden Phragmokon-Kammern von bis zu 20 cm Durchmesser gefunden. Die Gesamtlänge des lebenden ausgewachsenen Tieres dürfte somit bei ca. 3,5 m gelegen haben!

Das hier vorgestellte Exemplar von Megateuthis stammt aus der Sammlung Prof. HELMUT KEUPP, die im Jahre 2014 an die Münchner Staatssammlung gelangte. Es handelt sich mit ca. 100.000 Fossilien um eine der bedeutendsten Neuzugänge der vergangenen Jahrzehnte. Schwerpunkt der Sammlung liegt auf den Cephalopoden und hier vor allem auf den Ammoniten. Die Einmaligkeit der Sammlung beruht insbesondere auf den tausenden Exemplaren pathologischer Cephalopoden. Dies sind Gehäuse oder andere Hartteile, die durch genetische Defekte, Erkrankungen, Verletzungen oder Einwirkung von Räubern Veränderungen gegenüber der normalen Gehäuseform aufweisen. Auch das hier vorgestellte Exemplar von Megateuthis zeigt eine Besonderheit, die das Tier allerdings nicht zur Lebzeit betroffen hat. Nach dem Tod und dem Absinken des Belemniten-Tieres auf den Meeresboden hat sich eine Austern-Muschel (Lopha sp.) auf dem bloß liegenden Rostrum angesiedelt.

Martin Nose & Vincent Gräfe, München

Abbildungen:

Abb. 1: Das Rostrum des Belemniten Megateuthis sp. mit aufgewachsener Austern-Muschel Lopha sp. Länge: 48 cm. Foto: SNSB-BSPG/M. Schellenberger.

Abb. 2: Das lebende Belemniten-Tier mit Position der wichtigsten Organe und Skelettteile. Aus SCHLEGELMILCH (2012).

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (1,3 MB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.