Fossil des Monats Januar 2023

Zwischenkiefer eines Riesenraubsauriers

Carcharodontosaurussp.

SNSB-BSPG 2008 I 66

Kreide (Cenoman), 100–95 Millionen Jahre alt, Marokko, Kem Kem Group, genauer Fundort unbekannt; Höhe 220 mm, Breite 109 mm

Das hier ausgestellte Fossil ist der fast vollständige Zwischenkiefer (Prämaxilla) eines Riesenraubsauriers und stammt aus der mittleren Kreidezeit Marokkos (100–95 Millionen Jahre). Die Prämaxilla ist der Knochen, der die Schnauzenspitze vieler Tiere bildet. Die Größe dieses Knochens deutet auf eine Schädellänge von etwa 150 cm hin! In seiner Größe und höckerigen Oberfläche passt er damit sehr gut zu dem Schädel des Carcharodontosaurus saharicus, der in den gleichen Schichten gefunden wurde, von dem jedoch die Schnauzenspitze bisher unbekannt ist. Die Breite dieser Prämaxilla deutet darauf hin, dass Carcharodontosaurus einen kürzeren und breiteren Schädel hatte, als bisher angenommen.

Carcharodontosaurus ist das namensgebende Taxon für die Gruppe der Carcharodontosaurier. Diese sind eine Gruppe theropoder Dinosaurier, die nahe mit dem bekannten Allosaurus, dessen Schädel im Erdgeschoss der Ausstellung zu sehen ist, verwandt ist. Der Ursprung der Gruppe liegt vermutlich im Jura, jedoch erreichten sie ihre Blütezeit in der mittleren Kreidezeit vor etwa 120–95 Millionen Jahren. Zu dieser Zeit wuchsen sie zu wahren Riesen heran. Die beiden größten Vertreter der Gruppe sind der südamerikanische Giganotosaurus carolini (12 m–13.2 m) und der nordafrikanische Carcharodontosaurus saharicus (ca. 12 m–13 m). Ersterer wurde damit sogar etwas länger als das größte je gefundene Exemplar von Tyrannosaurus rex (13 m).

Die Carcharodontosaurier verfolgten jedoch eine andere Jagdstrategie als der Tyrannosaurus rex. Ihre Schädel sind im Verhältnis schmäler und länger als der breite Schädel des Tyrannosaurus. Dies lässt auf eine weniger stark ausgeprägte Kiefermuskulatur schließen, wozu auch die schmaleren, geriffelten Zähne der Gruppe passen. Während Tyrannosaurus seine Beute mit einem einzigen knochenzermalmenden Biss erlegte, fügten die Carcharodontosaurier ihrer Beute wohl schwere Verletzungen zu und ließen sie ausbluten.

Carcharodontosaurus teilte sich seinen Lebensraum mit ungewöhnlich vielen Arten anderer Raubsaurier. Neben den bis zu 14 m langen Spinosauriern, lebten auch bis zu 6 m lange Abelisaurier im Marokko der Kreidezeit. All diese unterschiedlichen Raubsaurier vermieden direkte Konkurrenz miteinander, indem sie sich auf unterschiedliche Beutetiere spezialisierten. Während Carcharodontosaurus den großen langhalsigen Sauropoden nachstellte, hatten sich die Spinosaurier auf Fisch spezialisiert und die Abelisaurier machten Jagd auf kleinere, flinke Beutetiere.

Max Kellermann, München

Abbildungen:

Abbildung 1: Schnauzenspitze (Zwischenkiefer = Prämaxilla) eines großen Raubdinosauriers, Kreide (Cenoman), 100–95 Millionen Jahre alt, Marokko, Kem Kem Group, Höhe 220 mm, Breite 109 mm; SNSB-BSPG 2008 I 66. Foto: M. Kellermann.

Abbildung 2: Rekonstruktion des Schädels von Carcharodontosaurus sp. mit Lage des Zwischenkiefers (weiß) im Vergleich zum menschlichen Schädel. Zeichnung: Max Kellermann.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (1,4 MB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.