Fossil des Monats Juli 2023

Bödenkoralle (Tabulata)

Catenipora sp.

SNSB-BSPG 2020 XCVII 5013

Silur (Llandovery-Wenlock), ca. 433 Millionen Jahre, Visby-Formation, Ireviken, Insel Gotland, Schweden; Länge des Stücks: ca. 18 cm

Zur Zeit des Silurs, vor etwa 443 bis 419 Millionen Jahren, war die Ostsee-Insel Gotland ein tropisches Paradies mit einer Vielzahl an Riffen. Riffbildner zu jener Zeit waren hauptsächlich Stromatoporen – eine Kalkskelett-bildende Gruppe der Schwämme – Kalkalgen sowie Korallen. Allerdings entstanden die heutigen sogenannten Steinkorallen (Scleractinia) erst in der mittleren Trias vor etwa 240 Millionen Jahren, während die silurischen Korallen aus den Ende des Perm ausgestorbenen Rugosa (Runzelkorallen) und Tabulata (Bödenkorallen) bestanden.

Das hier ausgestellte Fossil zeigt eine Kolonie der tabulaten Koralle Catenipora. Diese Gattung gehört zu den sogenannten Kettenkorallen, da ihre Kelche kettenartig miteinander verbunden sind. Kettenkorallen sind auf der Ostsee-Insel Gotland in den silurischen Ablagerungen häufig zu finden. Typischerweise treten sie dort gehäuft in eher weichen, tonig-mergeligen Gesteinsschichten auf, was ganz eng mit ihrer damaligen Lebensweise zusammenhängt. Anders als die meisten heute lebenden Korallen konnten die Kettenkorallen auch mit einem relativ hohen Schlammeintrag leben. Hierbei erwies sich die palisadenförmige Struktur des Kalkskeletts als besonderer Vorteil. Schlamm bzw. Sediment konnte sich zwischen den senkrecht stehenden Kelchpalisaden absetzen. Diese robuste Lebensweise machte Kettenkorallen häufig zu »Pionieren«, die als Erstbesiedler Teile des Meeresbodens eroberten.

Später konnten sich dann auch Larven von anderen Organismen, die sich bevorzugt auf harten stabilen Untergründen ansiedelten, auf abgestorbenen Partien der Kettenkorallen niederlassen. Im hier vorgestellten Exemplar sind dies rugose Einzelkorallen, kleine Kolonien anderer tabulater Korallen sowie Moostierchen. Diese wurden letztlich teilweise wieder von Catenipora überwuchert, was die Konkurrenz um die vorhandenen besiedelbaren Flächen am Meeresboden sowie die begrenzten Nahrungsressourcen widerspiegelt. Dieses Phänomen tritt auch in heutigen tropischen Korallenriffen bei riffbildenden Organismen wie Korallen und Schwämmen auf. Ähnlich wie in modernen Riffhabitaten war der Artenreichtum in den silurischen Riffen Gotlands beeindruckend hoch. Man findet eine hochdiverse fossile Begleitfauna bestehend aus unterschiedlichen Tiergruppen, die sich an das Leben im Riff angepasst hatte. Beispiele dafür sind unter anderem Armfüßer, Seeigel, Seelilien, Schnecken, Muscheln, Kopffüßer und Trilobiten. Auch im ausgestellten Stück kann man zwischen den kettenartig angeordneten Catenipora-Kelchen verschiedene Organismen entdecken, wie etwa Armfüßer und Seeigelreste.

Der Catenipora-Korallenstock wurde in der Lokalität Ireviken, im nordwestlichen Teil der Insel Gotland, gefunden. Aufgeschlossen sind dort die silurischen Visby- und Högklint-Schichten, die während des obersten Llandovery bis zum unteren Wenlock – also vor ungefähr 435 bis 432 Millionen Jahren – abgelagert wurden. Die Catenipora-Koralle stammt aus den unteren Visby-Schichten und ist etwa 433 Millionen Jahre alt.

Imelda M. Hausmann, München

Abbildungen:

Abb. 1: Tabulater Korallenstock Catenipora sp., Insel Gotland, Schweden, Inv.-Nr. SNSB-BSPG 2020 XCVII 5013, Länge des Stücks: ca. 18 cm.

Abb. 2: Auswahl von fossilen Organismen, die im Catenipora-Korallenstock gefunden wurden. A) Rugose Einzelkoralle, B) Armfüßer, C) Seeigelfragment, D) Wurmröhre..

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (1,7 MB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.