Fossil des Monats September 2023
Panzerkrebs, Vielscherer
Cycleryon propinquus (SCHLOTHEIM, 1822)
SNSB-BSPG AS V 31 (Slg. Herzog Maximilian von Leuchtenberg)
Oberjura (Tithonium), ca. 150 Millionen Jahre, »Solnhofener Plattenkalke«, Mörnsheim, Fränkische Alb, Bayern, Länge des Fossils: 15 cm.
Die Solnhofener Plattenkalke Frankens stellen eine der weltweit bedeutendsten Fossillagerstätten dar. Die sehr feinkörnigen, teilweise laminierten Kalksteine entstammen lagunenähnlichen Wannen zwischen Korallen- und Schwammriffen, die sich im tropischen Klima am Nordrand des Urmittelmeeres, der Tethys, vor ca. 150 Millionen Jahren entwickelten.
Berühmt geworden ist diese Gesteinsformation vor allem durch spektakuläre Funde von Wirbeltierfossilien, wie z.B. Urvögeln (Archaeopteryx, Alcmonavis), Flugsauriern (Pterodactylus, Ramphorhynchus) und Dinosaurier-Jungtieren (Juravenator, Sciurumimus) in vorzüglicher Erhaltung, die bis weit in das 19 Jhdt. zurückreichen. Neben den Wirbeltieren bilden u.a. aber auch Krebse eine besonders diverse und faszinierende Gruppe unter den Plattenkalkfossilien. Frühzeitig entdeckt, beschränkten sich Dokumentationen im 18. Jhdt. auf reine Abbildungen. In der ersten Hälfte des 19. Jhdts. wurden die ersten wissenschaftlichen Bearbeitungen verfasst, nicht nur durch Wissenschaftler, sondern auch durch Fossilien sammelnde Amateure, wie z.B. den GRAFEN ZU MÜNSTER oder den BARON FRIEDRICH VON SCHLOTHEIM. VON SCHLOTHEIM war es, der die hier vorgestellte Krebs-Art Cycleryon propinquus 1822 erstmalig beschrieb. Die Krebssammlung des GRAFEN ZU MÜNSTER wurde schließlich vom damaligen bayerischen Staat angekauft und von dem an der Münchener Staatsammlung tätigen Paläontologen ALBERT OPPEL fundiert wissenschaftlich überarbeitet, zusammen mit anderen in München vorhandenen Krebsfossilien. Seine Monographie aus dem Jahre 1862 trug maßgeblich zur Kenntnis der Solnhofener Crustaceenfauna bei. Die nahezu perfekten Zeichnungen zu den Bildtafeln fertigte OPPEL selbst an. Das hier gezeigte Krebsfossil ist ein Belegstück zur Publikation von OPPEL 1862. Es stammt aus dem paläontologischen Teil der berühmten Sammlung des HERZOGS MAXIMILIAN VON LEUCHTENBERG, die nach dem Tode Maximilans 1852 und dem Ende des Fürstentums Eichstätt in den Besitz des Bayerischen Staates gelangte und 1858 nach München gebracht wurde, wo sie mit der Münchner Sammlung vereinigt wurde.
Der Krebs C. propinquus ist einer der großwüchsigsten Vertreter der Vielscherer in den fränkischen Plattenkalken. Der Name Vielscherer rührt daher, dass von ihren 5 Beinpaaren mindestens 4 Scheren tragen. Charakteristisch ist u.a. der stark gerundete Carapax (Rückenschild). Heutige Vertreter der Vielscherer (Polychelidae) leben in großen Meerestiefen (weniger als 100 m bis über 5000 m) und besitzen sehr stark reduzierte oder gar keine Augen. Die jurazeitlichen Vertreter aus den süddeutschen Plattenkalken hingegen haben große, leistungsstarke Facettenaugen. Die abgeflachte Form der Tiere deutet darauf hin, dass sie sich im weichen Meeresboden einwühlten und auf vorbeikriechende Beute lauerten. Die Lebensweisen der altertümlichen und der heutigen Vertreter der Vielscherer sind demnach nicht so ohne Weiteres vergleichbar.
Martin Nose & Amelia Pyrzynska, München
Abbildungen:
Abb. 1: Vielscherer-Krebs Cycleryon propinquus (SCHLOTHEIM, 1822), SNSB-BSPG AS V 31 (Slg. HERZOG MAXIMILIAN VON LEUCHTENBERG), Länge des Fossils: 15 cm. Foto: BSPG/M. Schellenberger
Abb. 2: Zeichnung von ALBERT OPPEL von Cycleryon propinquus aus seiner Monographie über die Solnhofener Krebsfauna aus dem Jahr 1862.
Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (426 kB) bereit.
Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.