Fossil des Monats September 2024
Aquatische Brückenechse
Aquatische Brückenechse
Acrosaurus frischmanni VON MEYER, 1854
SNSB-BSPG 1953 I 431
Oberer Jura, ca. 150 Millionen Jahre, Eichstätt, Oberbayern
Acrosaurus war eine kleine Brückenechse, die im Bereich Süddeutschlands in der Zeit des oberen Jura, vor etwa 150 Millionen Jahren lebte. Die Brückenechsen (Rhynchocephalia) sind eine altertümliche Gruppe der Schuppenkriechtiere (Lepidosauria) und nahe mit den Eidechsen und Schlangen verwandt. Heute sind sie mit nur noch einer einzigen Art vertreten, der neuseeländischen Brückenechse Sphenodon punctatus, die nur noch auf einigen kleinen Inseln rings um die Nordinsel Neuseelands vorkommt. Im Gegensatz zu Sphenodon, der ein landlebender Allesfresser ist und in seiner Körperform einer Eidechse ähnelt, war Acrosaurus ein Meeresbewohner, der in dem subtropischen Flachmeer, das damals große Teile Süddeutschland bedeckte, nach kleinen Fischen und wirbellosen Tieren jagte. Als Anpassung an die aquatische Lebensweise ist der Körper verlängert und die Beine reduziert. Die Verlängerung des Körpers ist dabei hauptsächlich durch eine höhere Anzahl an Wirbeln bedingt, insbesondere im Bereich des Schwanzes, der bei diesen Tieren als kräftiges Ruderorgan diente.
Die Proportionen von Acrosaurus, insbesondere der im Verhältnis zum Körper große Schädel und die relativ schwache Verknöcherung des Skeletts dieser relativ seltenen Art haben dazu geführt, dass diese Tiere oft als Jungtiere angesehen wurden. In den süddeutschen Plattenkalken (den berühmten »Solnhofener Plattenkalken«), in denen Acrosaurus gefunden wird, kommt auch eine sehr viel größere Form von im Meer lebenden Brückenechsen vor, die Gattung Pleurosaurus. Diese bis zu 1,5 m langen Tiere sind in ihrer Körperform Acrosaurus sehr ähnlich, haben aber einen deutlich längeren Schädel. Da eine relative Verlängerung der Schnauze eine häufig zu beobachtende Änderung während des Wachstums eines Wirbeltieres ist, lag die Vermutung nahe, dass es sich bei den als Acrosaurus frischmanni bezeichneten Tieren in Wirklichkeit gar nicht um eine eigenständige Art handelte, sondern einfach um Jungtiere von Pleurosaurus. Vor Kurzem untersuchten jedoch Wissenschaftler von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie ein eindeutiges Jungtier von Pleurosaurus, das in Hinsicht auf seine Körpergröße zwischen den typischen Vertretern von Acrosaurus und den ausgewachsenen Exemplaren jener Gattung vermittelte. Dabei stellten sie fest, dass die Wirbelsäule bei den sehr viel kleineren Exemplaren von Acrosaurus schon deutlich besser verknöchert ist, als bei diesem Jungtier von Pleurosaurus. Dies spricht dafür, dass es sich bei diesen Tieren doch um eine eigenständige Art handelt und unterstreicht die Diversität der Brückenechsen im oberen Jura Süddeutschlands.
Oliver Rauhut, München
Abbildungen
Abb. 1: Skelett von Acrosaurus frischmanni VON MEYER, 1854, Länge des Fossils: ca. 15 cm, Inv.-Nr. SNSB-BSPG 1953 I 431.
Abb. 2: Skelett eines ausgewachsenen Pleurosaurus, Länge des Fossils: ca. 1,2 m.
Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (143 kB) bereit.
Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.