Fossil des Monats Dezember 2024

Schlangenstern

Schlangenstern
Aspiduriella similis (ECK, 1865)

SNSB-BSPG 2023 I 76

Mittlere Trias (Muschelkalk, ca. 240 Millionen Jahre), Lower Gogolin beds, Wojkowice, Oberschlesien, Polen.

Schlangensterne, wissenschaftlich bekannt unter dem Namen Ophiuroidea, gehören zum Tierstamm der Stachelhäuter (Echinodermata). Zu diesem Stamm zählen ebenfalls die Seeigel, Seesterne, Seegurken sowie Seelilien und Haarsterne. Typisch für Schlangensterne sind die langen und schlanken Arme, die von der zentralen Körperscheibe abgesetzt sind. Die Form der Arme, aber auch deren flexible Bewegungsweise, lassen deutlich auf die Namensgebung der Tiere schließen. Schlangensterne entstanden bereits vor ca. 480 Millionen Jahren im Ordovizium und behielten seitdem ihren Bauplan grundsätzlich bei. Ihre Lebensweise und Morphologie scheint so erfolgreich gewesen zu sein, dass ihre Diversität und Verbreitung durch Massenaussterbeereignisse kaum negativ beeinflusst wurde.

Das hier ausgestellte Kalksteinstück zeigt wunderbar erhaltene Innenskelette von Schlangensternen der Art Aspiduriella similis aus dem Wojkowice-Steinbruch, der sich in der kleinen, gleichnamigen Ortschaft Wojkowice in Oberschlesien (Polen) befindet. Das Stück stammt aus dem Muschelkalk (Mittlere Trias) und ist somit ca. 240 Millionen Jahre alt. Während dieser Zeit bestand das Germanische Becken zum großen Teil aus einem Epikontinentalmeer, dem sogenannten Muschelkalkmeer. Daher findet man die Gattung Aspiduriella auch in anderen Gebieten des Germanischen Beckens, wie beispielsweise in der Nähe von Crailsheim in Baden-Württemberg.

Der ursprüngliche Lebensraum von Aspiduriella similis in Wojkowice war vermutlich im flachen Randbereich des Muschelkalkmeeres zu finden. Möglicherweise war diese Gegend sogar teilweise vom offenen Meer abgetrennt. Man weiß das, da die Aspiduriella-tragenden Schichtlagen durch Evaporation, also Verdunstung des Meerwassers, gekennzeichnet sind. Folglich mussten die Schlangensterne in der Lage sein, hohe Salzgehaltschwankungen im Wasser und grundsätzlich einen hohen Salzgehalt zu ertragen. Dies ist insofern außergewöhnlich, da Stachelhäuter in der Regel stenohalin sind, also nicht in der Lage sind, hohe Schwankungen des Salzgehaltes zu tolerieren.

Aspiduriella similis war eine Schlangensternart mit vergleichsweise kurzen Armen, die auf dem Meeresboden lebte. Die Armspitzen sind bei den Individuen aus Wojkowice nicht erhalten, was daran liegen könnte, dass diese Skelettelemente extrem klein sind und so nach dem raschen Zerfall und vor der Einbettung mit Sediment sehr leicht verdriftet werden konnten. Bei lebenden Aspiduriella similis war die Mundseite grundsätzlich nach unten auf das Substrat gerichtet. Allerdings sind die meisten Individuen auf dem hier ausgestellten Kalkstein mit der Mundseite nach oben erhalten. Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass das umgebende Milieu sauerstoffarm wurde – ein typisches Phänomen in seichten, randmarinen Gebieten (wie in Wojkowice). Heutige Schlangensterne stellen sich bei Sauerstoffarmut auf. Zusätzlich kann man bei gestressten Tieren beobachten, dass sie kollektiv ablaichen, wobei sie sich ebenfalls aufstellen müssen. Möglicherweise sind die fossilen Individuen aus Wojkowice während solcher Vorgänge gestorben und dabei auf die mundabgewandte Seite umgekippt.

Imelda M. Hausmann

Abbildungen

Abb. 1: Gesamtansicht des Kalksteins mit zahlreichen Individuen von Aspiduriella similis auf der Schichtfläche. Länge der Platte: 8 cm. SNSB-BSPG 2023 I 76. Foto: SNSB-BSPG/I. Hausmann.

Abb. 2: Zwei Individuen von Aspiduriella similis; links: Ventralseite (Mundseite), rechts: Dorsalseite. Foto: SNSB-BSPG/I. Hausmann.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (125 kB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.