Fossil des Monats Januar 2025

Zahnwal (Schädel)

Romaleodelphis pollerspoecki SANCHEZ POSADA et al., 2024

SNSB-BSPG 1992 I 10

Neogen (Untermiozän, ca. 22 Millionen Jahre), Ebelsberg-Formation, Region Traun-Pucking bei Linz, Oberösterreich (Österreich)

Zahnwale (Odontoceti) sind an das Leben im Wasser angepasste Säugetiere. Von ihren Vorfahren erbten sie vor ca. 34 Millionen Jahren den stromlinienförmigen Körper ohne Hinterextremitäten, zu Flossen (Flippern) umgewandelte Vorderextremitäten, eine dreieckige Rückenfinne und die Schwanzfluke, die sie zu schnellen Schwimmern macht. Heute besiedeln sie mit einer Diversität von über 70 Arten und Körpergrößen von 1,5 m (Delfine) bis 20 m (Pottwale) alle Meere und sogar Flüsse in Asien und Südamerika.

Im Laufe der 34 Millionen Jahre ihrer Evolutionsgeschichte haben die Zahnwale zudem eine Vielzahl an Gruppen hervorgebracht, die heute ausgestorben und nur noch als Fossilien erhalten sind. So auch der hier ausgestellte Schädel, der bereits vor fast 45 Jahren in Österreich aus 22 Millionen Jahre alten Gesteinen geborgen wurde, 1992 an die Bayerische Staatssammlung gelangte und in den letzten fünf Jahren Gegenstand ausgiebiger Untersuchungen war. Nun wissen wir, dass der Schädel zu einer bisher unbekannten Gattung und Art von Ur-Delfinen gehörte, die wir Romaleodelphis pollerspoecki genannt haben und die sich vor 22 Millionen Jahren in der Paratethys, einem flachen Meeresarm nördlich der Alpen, mit vielen anderen dort lebenden Organismen tummelten. Romaleodelphis besaß schon die typische hoch-spezialisierte Schädelanatomie mit den stark verlängerten Kieferknochen und den weit auf die Schädeloberfläche zurückverlagerten Nasenöffnungen der heutigen Zahnwale. Das Gebiss erstreckte sich über die gesamte Schnauzenlänge und bestand aus 220-240 gleichförmigen einspitzigen Zähnen.

Eine computertomografische Untersuchung erlaubte auch die Beurteilung der innen liegenden Merkmale. So konnten die meisten der einzelnen Schädelknochen identifiziert und sogar das knöcherne Labyrinth des Innenohrs in einem digitalen 3D-Modell rekonstruiert und vermessen werden. Die Form deutet darauf hin, dass Romaleodelphis die Fähigkeit besaß, Hochfrequenzsignale zu hören. Damit ist dieser Delfin einer der ältesten bekannten Zahnwale, die über einen Gehörsinn verfügten wie er auch bei heutigen Zahnwalen zu finden ist. Die Tiere können in Frequenzbereichen kommunizieren, die außerhalb des Hörvermögens ihrer Fressfeinde liegen. Eventuell besteht auch ein Zusammenhang mit der Evolution der Zahnwal-typischen Echoortung. Ob Romaleodelphis auch schon das für die Echoortung wichtige Fettorgan, die sogenannte Melone, besaß ist unklar, Da der Schädel nach der Einbettung stark verdrückt wurde, ist eine eventuelle Vertiefung zwischen Schnauzenwurzel und den Nasenöffnungen, die dieses Organ bei lebenden Zahnwalen enthält, nicht mehr erkennbar.

Gertrud E. Rössner, Michael Krings (beide SNSB-BSPG München), Catalina Sánchez Posada
(Comisión Colombiana del Océano, Bogotá, Colombia), Rachel Racicot, Irina Ruf (beide Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum, Frankfurt a. Main)

Abbildung

Abb. 1: Schädel des Zahnwals Romaleodelphis pollerspoecki SÁNCHEZ POSADA et al., 2024, Neogen (Untermiozän, ca. 22 Millionen Jahre), Ebelsberg-Formation, Region Traun-Pucking bei Linz, Oberösterreich (Österreich); Länge x Breite: 61 x 31 cm; Inv.-Nr. SNSB-BSPG 1992 I 10. Foto: SNSB-BSPG/M. Schellenberger.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (142 kB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.