Fossil des Monats Januar 2024
Libelle (Odonata)
Cymatophlebia longialata (MÜNSTER in GERMAR, 1839), Weibchen
Oberjura, ca. 150 Millionen Jahre, »Solnhofener Plattenkalke«, Eichstätt, Oberbayern
SNSB-BSPG AS VI 36
Die Funde von fossilen Insekten sind mit Ausnahme von Bernstein eher selten im Vergleich zu fossilen Resten von Tieren mit überlieferungsfähigen Hartteilen wie Knochen oder Schalen. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Fundstellen für versteinerte Insekten aus verschiedenen Erdzeitaltern: Vom ersten Auftreten vor mehr als 400 Millionen Jahren im Devon, über die Riesenformen des Steinkohlenzeitalters sowie diverse Fundstellen des Erdaltertums und Erdmittelalters bis in die Tertiärzeit mit Fundstellen u.a. auch in Deutschland. Insbesondere die oberjurassischen »Solnhofener Plattenkalke« der Frankenalb haben wegen Ihres Artenreichtums und der bemerkenswerten Häufigkeit von Insekten eine sehr große, weltweite Bedeutung für die Erforschung der Stammesgeschichte dieser Tiergruppe. Die wichtigsten und reichsten Fundstellen sind die Steinbrüche in der Umgebung von Eichstätt, weitere, aber weniger ergiebige Lokalitäten finden sich im Solnhofener Raum oder in anderen Regionen der Frankenalb.
Libellen sind ohne Zweifel die schönsten fossilen Insekten der »Solnhofener Plattenkalke«. Sie kommen hier in einer außergewöhnlichen Vielfalt vor. Bislang wurden an die 50 verschiedene Arten beschrieben, was Solnhofen – zusammen mit den Plattenkalken der kreidezeitlichen Crato-Formation Brasiliens – zu der Fundstelle mit der weltweit größten Libellen-Diversität macht.
Libellen besitzen zwei Paar große und ähnlich gebaute Flügel, die an einem dicken Brustabschnitt mit kräftiger Flugmuskulatur ansetzen. Die Flügel zeichnen sich durch ein stark spezialisiertes Flügelgeäder aus. Der Hinterleib ist schmal und langgestreckt und dient als Balancierstange. Die Komplexaugen am sehr beweglichen Kopf sind extrem gut entwickelt, die Fühler sind hingegen stets kurz. Diese Merkmale befähigen die räuberischen Libellen zu einem geschickten und rasanten Flug.
Die Solnhofener Plattenkalke entstanden vor 150 Millionen Jahren als sich in einem tropischen Randmeer der Tethys (Ur-Mittelmeer) lagunenartige Becken (»Wannen«) zwischen Schwamm- und Korallenriffen bildeten und in denen feinkörniger Kalkschlamm in feinen Schichten abgelagert wurde. Die große Häufigkeit und Vielfalt der Libellen in den Plattenkalken ist vermutlich auf deren gute Flugfähigkeit und hohe Flugaktivität zurückzuführen, wodurch sie leichter und häufiger zu den Ablagerungsgebieten jenseits der Küsten gelangen konnten als andere Insekten.
Das hier ausgestellte prächtige Stück stammt aus der Sammlung von KARL FRIEDRICH HÄBERLEIN, Landarzt aus Pappenheim. Zusammen mit seinem Sohn ERNST OTTO besaßen die HÄBERLEINs die mit Abstand größte und wertvollste private Sammlung an Plattenkalkfossilien des 19. Jhdts. Durch den Aufbau dieser Sammlungen und deren Weitergabe, vor allem an wissenschaftliche Institutionen, haben sich die HÄBERLEINs große Verdienste um die Paläontologie erworben. Im Jahr 1856 verkaufte KARL F. HÄBERLEIN einen umfangreichen und äußerst wertvollen Teil seiner Sammlung (inklusive der hier ausgestellten Libelle) für 11.000 Gulden an die Münchner Sammlung. Die Summe wurde vom bayerischen König Maximilian II. Josef bereit gestellt.
Martin Nose & Carolin Hoffmann
Quellen: BECHLY (2001, 2015)
Abb. 1: Fossile Libelle Cymatophlebia longialata (MÜNSTER IN GERMAR, 1839), Weibchen, Inv.-Nr. SNSB-BSPG AS VI 36; Größe der Platte: 14 x 14 cm. Foto: SNSB-BSPG/M. Schellenberger.
Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei (161 kB) zum Download bereit.
Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.