Fossil des Monats Dezember 2023

Schlankaffe von Pikermi

Mesopithecus pentelicus WAGNER, 1839
Gesichtsschädel

SNSB-BSPG AS II 7

Neogen (Ober-Miozän), ca. 8 Millionen Jahre alt, Pikermi bei Athen, Griechenland

Im Jahr 1838 erhielt Dr. Andreas Wagner, Assistent an der Zoologischen Staatssammlung München, von einem bayerischen Soldaten eine Schachtel mit Fragmenten fossiler Säugetierknochen. Diese hatte der Soldat während seiner Stationierung in Griechenland unter dem bayerischen König OTTO VON GRIECHENLAND am Fuß des Berges Pentelikon, östlich von Athen, gesammelt.

WAGNER identifizierte unter anderem einen bezahnten Oberkiefer eines kleinen Affen und bezeichnete diesen als den »wertvollsten und seltensten Gegenstand der hiesigen Petrefacten-Sammlung«, der Vorgängerin der heutigen Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie. Im Jahr 1839 erschien seine erste Beschreibung und Benennung des Fossils. Sie reihte sich damals ein in die ersten Entdeckungen von ausgestorbenen Primaten mit weiteren Funden aus Pakistan und Frankreich. WAGNER gab dem Affen den Namen Mesopithecus pentelicus [altgriechisch »meso-« für »mittel-« und »pithekos« für Affe], in Anlehnung an die Verwandtschaft mit heutigen Affen und an den Fundort. Dieser liegt in der Nähe des Dorfes Pikermi und ist bis heute eine der bedeutendsten Fossilfundstellen Europas, die eine wichtige Schlüsselrolle in der relativen Altersdatierung spielt. Der ersten wissenschaftlichen Grabung im Winter 1852/53 folgten viele weitere und lieferten eine reiche Fauna bestehend aus Gazellen, Giraffen, Nashörnern, Pferden, Raubtieren und Primaten, die möglicherweise in einem Savannen-ähnlichen Ökosystem lebten.

Der hier ausgestellte Gesichtsschädel von M. pentelicus wurde 1852/53 geborgen. Neben den sehr gut erhaltenen Knochen des Gesichtsschädels sind viele Zähne des Oberkiefers vorhanden. Das Abriebstadium des hintersten Backenzahns zeigt, dass es sich um Fossilien eines erwachsenen Individuums handelt, und der kleine Eckzahn ganz vorne kennzeichnet ein weibliches Tier.

Mesopithecus war ein kleiner Schlankaffe (Colobine) der vor 8 Millionen Jahren Eurasien besiedelte. Zuvor gab es in Eurasien ausschließlich ursprüngliche Verwandte der modernen Menschenaffen (Dryopitheciden) und weitere kleine Affen (Pliopitheciden), bei denen die Verwandtschaft zu den heute lebenden Affen nicht abschließend geklärt ist. Schlankaffen lebten bis dahin 20 Millionen Jahre isoliert in Afrika und erweiterten schließlich mit der Eroberung Eurasiens ihr Verbreitungsgebiet.

Im 20. Jahrhundert folgten viele weitere Entdeckungen von Mesopithecus-Fossilien in Pikermi und über 30 anderen europäischen und südwest-asiatischen Fundstellen, die wesentlich zur Erforschung dieses Affen beigetragen haben. Aus Pikermi sind bis heute Reste von mehr als 100 Individuen überliefert. Ihre Extremitäten zeigen Anpassungen an eine vierfüßige Fortbewegung auf dem Boden, allerdings ermöglichten sie auch das Klettern. Verwandtschaftlich wird Mesopithecus in nächste Nähe zum farbenfrohen asiatischen Stumpfnasenaffen Pygathrix gestellt.

Alessandro Urciuoli, Frankfurt & Gertrud Rössner, München

Abb. 1: Gesichtsschädel des Schlankaffen Mesopithecus pentelicus WAGNER, 1839; Inv.-Nr. SNSB-BSPG AS II 7; Höhe 60 mm, Breite 70 mm, Tiefe 40 mm. Foto: M. Schellenberger.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (162 kB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.