Fossil des Monats Juni 2020

Brachiopode, Stringocephalus cf. obesus Grabau, 1931

Stringocephalus cf. obesus Grabau, 1931, SNSB-BSPG 2020 I 10

Mittel-Devon (ca. 385 Mio. Jahre), Donggangling Formation, Bezirk Xiangzhou, Provinz Guangxi, Süd-China

Durchmesser: 11 cm.

Mit ihrem zweischaligen Gehäuse ähneln Brachiopoden („Armfüßer“) auf den ersten Blick den Muscheln (Bivalvia, Mollusken), zu denen sie allerdings in keiner verwandtschaftlichen Beziehung stehen. Sie gehören vielmehr zur Gruppe der Lophophoraten. Kennzeichnendes Merkmal sind die sogenannten Mundarme (Lophophore) im Schaleninneren, die als paarige Körperfortsätze links und rechts vom Mund stehen und 1-2 Reihen wimpernbesetzter Tentakel tragen. Die Mundarme vieler Brachiopoden werden durch ein feingliedriges kalkiges Armgerüst gestützt, welches in Form einer Spange, einer Schleife oder einer Spirale ausgebildet sein kann. Die zwei Schalenhälften (Klappen) umgeben den Weichkörper als hornig-phosphatisches oder kalkiges (kalzitisches) Exoskelett. Aus der unteren, meist etwas größeren Klappe ragt ein fleischiger Stiel, mit dem sich die Brachiopoden am Substrat festheften. Die meisten Brachiopoden leben auf dem Sediment, manche auch im Sediment. Einige Formen zementieren auf hartem Untergrund. In seltenen (fossilen) Fällen bilden sie sogar kleinere Riffstrukturen.

Brachiopoden sind seit dem Kambrium bekannt und hatten ihre maximale Verbreitung im Erdaltertum (Paläozoikum). Das Perm/Trias-Massenaussterben dezimierte die Brachiopoden, zusätzlich wirkte sich in Meso- und Känozoikum der Konkurrenzdruck der Muscheln (Bivalvia) negativ auf ihre Verbreitung aus. Demzufolge sind sie heute eher selten. Etwa 300 lebenden Gattungen stehen über 3000 fossile gegenüber, was die große Bedeutung der Brachiopoden in der Paläontologie unterstreicht.

Das Fossil des Monats, Stringocephlaus cf. obesus Grabau, ist ein großwüchsiger, dickschaliger Vertreter der Brachiopoden mit stark gewölbten Klappen. Stringocephalen lebten in flachen, warm-tropischen Meeresbereichen (Riff-Lagunen) der Devon-Zeit. Ob in den U.S.A, in Europa (u.a. Rheinisches Schiefergebirge) oder in China, Stringocephalen hatten eine weltweite Verbreitung und markieren in vielen Regionen zeitlich das Einsetzen des oberen Mittel-Devon (Givetium).

Weite Teile Süd-Chinas waren im Devon von zunächst sandigen, dann kalkigen (karbonatischen) Sedimenten geprägt, die im Zuge eines lang anhaltenden relativen Meeresspiegelanstiegs (Transgression) zur Ablagerung kamen, während im Norden eine große Landmasse existierte. So bildeten sich mächtige Riff-Karbonatplattformen von bis zu 1500 m Mächtigkeit und einer Ausdehnung von mehreren Hundert Kilometern, die von langgestreckten, z.T. tiefen Meeresbecken getrennt waren. Die hier entstandenen Ablagerungen prägen heute die spektakulären Turmkarst-Landschaften von Guangxi und dem südlichen Guizhou. Für die Erforschung devonzeitlicher Sedimente und ihrer Lebewelt sind diese Gebiete von herausragender Bedeutung.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei (279 KB) zum Download bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.