Fossil des Monats Januar 2021

Meeres-Borstenwurm Meringosoma curtum Ehlers, 1869

Meeres-Borstenwurm Meringosoma curtum Ehlers, 1869, SNSB-BSPG 1869 I 1

Ober-Jura, ca. 152 Millionen Jahre‚ Lithographischer Plattenkalk, Altmühltal-Formation; ,Solnhofen‘, Mittel-Franken, Bayern.

Länge des Fossils: 3,5 cm.

Borstenwürmer oder Vielborster (Polychaeta) sind mit mehr als 10.000 heutigen Arten sehr diverse und vielgestaltige Organismen, die zu den Anneliden (Ringelwürmer) gehören. Fast alle leben in marinen Lebensräumen, vom Flachwasser bis in die Tiefseegräben, frei beweglich oder in Röhren festsitzend, im und auf dem Meeresboden, wie auch in der freien Wassersäule vorkommend. Polychaeten sind segmentierte Würmer, die ausgewachsen von 1 mm bis 3 m groß werden können, meist jedoch kleiner als 10 cm sind. Ein Hautmuskelschlauch und unter der Haut liegende Ring- und Längsmuskelschichten gestatten den Borstenwürmern eine hohe und komplexe Beweglichkeit. Jedes Segment dieser Würmer besitzt paarig angelegte stark durchblutete Anhänge (so genannte Parapodien), von denen bündelweise angeordnet Borsten ausgehen, die der Stütze und Fortbewegung dienen. Diese Borsten, auch Chaetae oder Setae genannt, gaben der Gruppe letztendlich ihren Namen.

Im Fossilbericht sind polychaete Anneliden seit dem frühen Kambrium (vor 518 Millionen Jahren) vertreten. Insbesondere die Röhren der festsitzenden Polychaeta (‚Sedentaria‘) sind in vielen Gesteinsschichten unterschiedlichen Alters, teilweise auch riff- oder gesteinsbildend, vorhanden. Frei bewegliche Polychaeten (‚Errantia‘ oder Aciculata) hingegen sind meist nur durch die stabilen und damit fossil überlieferungsfähigen Elemente des Kauapparates (Scolecodonten) bekannt. Fossile artikulierte und damit im körperlichen Zusammenhang befindliche Würmer, die zu den frei beweglichen Formen gehören, sind seltener zu finden. Derartige Funde beschränken sich auf verschiedene Fossillagerstätten aller Erdzeitalter, wozu auch die spätjurassischen Plattenkalke Bayerns zu zählen sind.

Bei dem Fossil des Monats Januar 2021 handelt es sich um das Originalstück des vor 150 Jahren vom Polychaeten-Spezialisten Ernst Ehlers (1835–1925) beschriebenen Borstenwurms Meringosoma curtum. Mit seinem abgeflachten, wenig segmentierten Körper und seinem ovalen Umriss sowie kräftigen Borsten, jedoch ohne Kiefer bzw. Zähne im Mundbereich, gehört diese Art laut ursprünglicher Zuweisung zu den Feuer-Borstenwürmern (Amphinomidae). In den normalerweise chitinösen Borsten ist bei dieser Gruppe zusätzlich Kalziumkarbonat vorhanden, welches bei einer kürzlich erfolgten Nachuntersuchung mit dem Rasterelektronenmikroskop nachgewiesen werden konnte. Heutige Vertreter dieser Gruppe sind typisch für flache und warme Meeresbereiche, in denen sie meist räuberisch oder aasfressend leben und sich von Korallen, Seeanemonen oder Schwämmen ernähren. Bei den farbenfrohen Arten der Amphinomidae sind die Borsten oft mit einem Giftstoff versehen, der bei Berührung starke Schmerzen verursachen kann.
Polychaeten waren wichtige Bewohner der verschiedenen Ökosysteme des damaligen Solnhofen-Archipels; eine moderne Bearbeitung der hiesigen fossilen Vertreter steht derzeit noch aus.

Mike Reich, München

Fotos: Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie – Paläontologisches Museum München

Abbildung 1: Meringosoma curtum Ehlers, 1869 aus dem oberjurassischen Plattenkalk von Solnhofen. Lichtmikroskopische Aufnahme. Inv.-Nr. SNSB-BSPG 1869 I 1, Länge des Fossils: 3,5 cm. Foto: BSPG/M. Reich.

Abbildung 2: Meringosoma curtum Ehlers, 1869 aus dem oberjurassischen Plattenkalk von Solnhofen. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme mit Details der erhaltenen Borsten. Inv.-Nr. SNSB-BSPG 1869 I 1, Länge des Fossils: 3,5 cm. Foto: BSPG/M. Reich.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei (1,7 MB) zum Download bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.