Fossil des Monats Februar 2023

Zahn eines großen Raubsauriers

Spinosaurus sp.

SNSB-BSPG 1993 IX 308

Untere Oberkreide, ca. 95 Millionen Jahre alt, Kem Kem, Marokko

Im Herbst 1912 grub der Fossiliensammler Richard Markgraf in kreidezeitlichen Sedimenten der Bahariya-Oase Ägyptens im Auftrag des Münchener Paläontologen Prof. Dr. Ernst Freiherr Stromer von Reichenbach Reste eines großen Dinosauriers aus.

Die Reste wurden nach München verschifft, wo sie in der Bayerischen Staatssammlung präpariert und dann von Ernst Stromer wissenschaftlich untersucht wurden. Die Fossilien stellten sich als unvollständige Reste eines wahrhaft gigantischen Raubsauriers heraus, der in vielerlei Hinsicht von allen damals bekannten Raubsauriern abwich.

So war der Unterkiefer, von dem nur die 72 cm lange vordere Hälfte erhalten war, merkwürdig geschwungen und wies in einer vorderen Expansion sehr stark vergrößerte Zähne auf. Auch waren die Dornfortsätze der Rückenwirbel auffallend verlängert, bis zu 165 cm in dem größten vollständig erhaltenen Wirbel. Aufgrund dieses Merkmals gab Stromer dem neuen Tier im Jahr 1915 den treffenden Namen Spinosaurus, abgeleitet von der lateinischen Bezeichnung der Dornfortsätze, Processus spinosi.

Leider waren die Reste des Spinosaurus sehr unvollständig; dennoch konnte Stromer die Gesamtlänge des Tieres mit 12-15 m rekonstruieren, was die Größe des damals größten bekannten Raubsauriers, Tyrannosaurus rex, noch etwas übertraf. Die Reste des Spinosaurus waren eines der spektakulärsten Schaustücke des Paläontologischen Museum München, bis sie 1944 einem alliierten Bombenangriff zum Opfer fielen.

Erst in den letzten etwa 25 Jahren hat sich unser Verständnis der Spinosaurier verbessert. Neue Funde, vor allem aus der »mittleren« Kreide von Marokko, aus der auch der hier vorgestellte Zahn stammt, wurden allerdings in den letzten Jahren zu Spinosaurus gestellt und haben neue Spekulationen zu der Lebensweise ausgelöst, die seitdem kontrovers diskutiert werden. Bereits aufgrund der Form der Kiefer und der Zähne wurde vorher spekuliert, dass Spinosaurus und seine näheren Verwandten sich eventuell von Fisch ernährt haben könnten. Anders als bei anderen Raubsauriern sind die Zähne nämlich nicht seitlich abgeflacht und mit scharfen Sägekanten versehen, sondern haben einen fast runden Querschnitt und sind sehr spitz zulaufend, was man von vielen Fischfressern kennt.

Mit den neuen Funden hat sich herausgestellt, dass Spinosaurus wohl generell eine sehr ungewöhnliche Anatomie hatte, mit relativ kurzen, aber massiven Beinen, einem langgestreckten Körper mit hohen Dornfortsätzen auch entlang des Schwanzes und einem sehr niedrigen, langgestreckten Schädel. Einige Forscher nehmen daher an, dass diese Tiere, ähnlich wie die heutigen Krokodile überwiegend im Wasser lebten und dort schwimmend Fische jagten, wobei der Schwanz als Haupt-Antriebsorgan dient. Andere Experten vermuten allerdings aus biomechanischen Gründen, dass Spinosaurus ein eher langsamer Schwimmer war und schlecht oder gar nicht tauchen konnten. Sie sehen in diesen Tieren eher Lauerjäger, die eventuell im seichten Wasser standen und mit schnellen Bewegungen des Halses und des Kopfes unter Wasser Fische fingen. Welche dieser Annahmen richtig ist, wird sich wohl erst herausstellen, wenn wir vollständigere Exemplare von Spinosaurus finden.

Oliver Rauhut & Maximilian Kellermann

Abbildungen:

Abb. 1: Zahn von einem großen Spinosaurier, vermutlich Spinosaurus; Länge: 7 cm; Inv.-Nr. SNSB-BSPG 1993 IX 308. Foto: SNSB-BSPG/M. Schellenberger.

Abb. 2: Rekonstruktion des Schädels von Spinosaurus. Grafik: M. Kellermann.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (1,2 MB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.