Fossil des Monats April 2023

Kalkschwamm

Endostoma intermedia (MÜNSTER, 1829)

SNSB-BSPG 2013 XVIII 4

Oberjura (Kimmeridgium), ca. 150 Millionen Jahre, Gerstetten, östliche Schwäbische Alb, Baden-Württemberg

Schwämme (Tierstamm: Porifera) sind einfach gebaute, multizelluläre Organismen. Sie besitzen keine regelrechten Gewebe und auch kein Nervensystem. Schwämme sind im Allgemeinen am Grund von Gewässern siedelnde Organismen, die Kleinstlebewesen als Nahrung aus dem Wasser filtrieren. Sie funktionieren im Idealfall als durchströmter Hohlkörper mit einer porösen Wand und einem zentralen Kanal, der das einströmende Wasser nach oben aus dem Schwamm herausleitet.

Schwämme ernähren sich aber nicht allein durch Filtrieren. Wie keine andere Tiergruppe sind sie in der Lage auch Makromoleküle und Kolloide aufzunehmen. Zudem tragen häufig im Schwammkörper lebende Mikrosymbionten zur Ernährung bei. Viele, v.a. Tiefwasserformen, beherbergen Massen von Bakterien und Algen, die vermutlich auch an der Speicherung von organischen Molekülen beteiligt sind. Die meisten Schwämme haben ein Skelett, welches im einfachsten Fall ein kolloidales Gel sein kann. Häufig besteht es allerdings aus einer hornigen Substanz (Spongin) oder aus kalkigen und/oder kieseligen Nadeln (Spicula). In besonderen Fällen können Schwämme zusätzlich zu den Nadeln auch massive Kalkskelette ausbilden.

Das Fossil des Monats April gehört zur Gruppe der Kalkschwämme (Calcarea). Ihr Skelett bestand zu Lebzeiten vollends aus Kalziumkarbonat (Kalzit) und wird von freien, selten verbundenen oder zementierten, vor allem dreistrahligen Schwammnadeln (triradiate Spicula) aufgebaut. Teilweise ist zusätzlich ein massives basales kalzitisches Skelett entwickelt.

Gerstetten ist, neben Nattheim, bekannt für exzellent erhaltene Korallen und Begleitfauna wie Seeigel, Muscheln, Brachiopoden und Schwämme. Die Vorkommen auf der östlichen Schwäbischen Alb zeichnen sich häufig dadurch aus, dass die ursprünglich kalkige Fauna verkieselt vorliegt. Dies bedingt einerseits eine vorzügliche Erhaltung der Skelettreste, erfordert andererseits aber einen aufwändigen Präparationsprozess, der das Herausätzen der Fossilien mit verdünnter Salzsäure beinhaltet.

Im Oberjura lag ganz Süddeutschland unter Meeresbedeckung am NW-Rand der Tethys (Ur-Mittelmeer). In diesem Schelfmeer lagerten sich Sedimente ab, die heute die Mittelgebirgszüge der Schwäbischen und Fränkischen Alb bilden. Es handelt sich um ca. 400-600 m mächtige Abfolgen aus hellen Kalken und Mergeln, die häufig Riffe führen. Diese Riffe werden von Schwämmen und Korallen unter der Beteiligung von Mikrobenkrusten aufgebaut. Im unteren Oberjura waren es vor allem Kieselschwämme, die in einem Wassertiefenbereich von 50-150 m lebten. Im höheren Oberjura wurden die Riffe vor allem von Korallen dominiert, die in einer Wassertiefe bis zu wenigen Zehnermetern existierten. Hier sind auch die Kalkschwämme zu Hause. Im oberflächennahen, gut durchlüfteten Wasser der Korallenriffe fanden sie ideale Wachstumsbedingungen, nicht zuletzt auch aufgrund der guten Verfügbarkeit von besiedelbaren Hartsubstraten. Auch das Nährstoffangebot war in den artenreichen Korallenriffen vermutlich gut, wenn man die doch recht großwüchsigen Exemplare von bestimmten Kalkschwämmen wie z.B. Endostoma betrachtet.

Martin Nose, München

Abbildungen:

Abb. 1: Kalkschwamm Endostoma intermedia (MÜNSTER), Gerstetten, östl. Schwäbische Alb, SNSB-BSPG 2013 XVIII 4, Höhe des Stückes: 8,5 cm. Foto: M. Schellenberger.

Abb. 2: Allgemeiner Aufbau eines Schwammes (aus BOARDMAN et al. 1987).

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (407 kB) bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.