Fossil des Monats Oktober 2022

Verkieselter Prototaxites-»Stamm« (Querschnitt)

SNSB-BSPG 2002 XV 63

Devon, ca. 415–360 Millionen Jahre, Saarland, Deutschland

Größe der Platte: ca. 19,5 x 12,5 x 4,5 cm

Die Besiedlung der Festländer hat im Silur und Devon (vor ca. 440–360 Millionen Jahren) eine Reihe von Organismen hervorgebracht, deren Aussehen und Aufbau aufgrund erhaltener Fossilien gut bekannt ist, deren Stellung im System der Lebewesen jedoch bis heute unbekannt geblieben ist. Ein Beispiel hierfür ist das Fossil des Monats Oktober im Paläontologischen Museum München (Abb. 1).

Prototaxites gehört zu einer Gruppe von Lebewesen, deren Körper in ihrer Gesamtheit aus mikroskopisch kleinen, miteinander verflochtenen Röhren bestanden, und die man deshalb als Nematophyten (»Fadengewächse«) bezeichnet. Während die meisten Nematophyten klein, bestenfalls zentimetergroß waren, bildete Prototaxites gewaltige, stammartige Strukturen aus; die größten Fossilien solcher »Stämme« sind fast acht Meter lang und haben Durchmesser von mehr als einem Meter. Trotz der enormen Größe bestand auch Prototaxites komplett aus winzigen Röhren. In Querschnitten durch die fossilen »Stämme« ist dieser Aufbau meist gut zu erkennen, allerdings nur unter dem Mikroskop (Abb. 2); mit bloßem Auge sieht man Jahresring-artige Zuwachszonen, die darauf hindeuten, dass die »Stämme« über einen Zeitraum von mehreren bis vielen Jahren periodisch gewachsen sind.

Obwohl Prototaxites-Fossilien weit verbreitet sind (Europa, Nordamerika, Asien, Afrika, Australien) und seit mehr als 150 Jahren intensiv untersucht werden, bleibt die Biologie und Ökologie dieser Organismen weitgehend ungeklärt. Sicher ist, dass Prototaxites deutlich größer war, als alle anderen Lebewesen der frühen festländischen Ökosysteme. Allerdings streitet man sich schon bei den Fragen, ob die »Stämme« zu Lebzeiten aufrecht gestanden oder vielleicht gelegen haben, und ob sie an Land oder vielleicht doch (teilweise/zeitweise) im Wasser gewachsen sind.

Die ersten Prototaxites-Fossilien wurden auf der kanadischen Halbinsel Gaspé gefunden und als Holz eines Nadelbaums (daher der Name: Proto- = erst, ursprünglich; -taxites, von Taxus = Eibe) interpretiert. Strukturelle Eigenheiten der Röhren sind später verwendet worden, um für eine Zugehörigkeit zu den Ständerpilzen (Basidiomycota) zu argumentieren. Während die Interpretation von Prototaxites als Fruchtkörper eines riesigen Ständerpilzes (Abb. 3) von vielen Fachleuten akzeptiert wird, gibt es auch noch andere Deutungen, angefangen von einer gigantischen Alge, über eine Art Flechte, bis hin zu einer aufgerollten Matte aus Lebermoosen oder einem Organismus ohne verwandtschaftlichen Bezug zu irgendeiner Gruppe heutiger Lebewesen. Darüber hinaus lässt ein Fossil aus Schottland den Schluss zu, dass Prototaxites vielleicht auch ein Vertreter der Schlauchpilze (Ascomycota) gewesen sein könnte. Für jede dieser Deutungen gibt es ein Für und Wider, und so bleibt Prototaxites ein ebenso großes wie faszinierendes Rätsel der Evolution.

Michael Krings, München

Abbildungen:

Abb. 1: Prototaxites-»Stamm« (Querschnitt), Devon, Saarland, Deutschland, SNSB-BSPG 2002 XV 63; Größe der Platte: ca. 19,5 x 12,5 x 4,5 cm.

Abb. 2: Prototaxites im mikroskopischen Bild, den Aufbau aus unterschiedlich großen Röhren zeigend; Balken = 50 µm. Aus TAYLOR et al. 2009: Abb. 6.2.

Abb. 3: Rekonstruktion von Prototaxites als Pilzfruchtkörper. Aus HUEBER 2001: Abb. 15.

Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download bereit.

Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.