Fossil des Monats Oktober 2023
Graptolithina (Graptolithen)
Didymograptus sp.
SNSB-BSPG GR
Mittleres Ordovizium, ca. 460 Millionen Jahre, Wales, vereinigtes Königreich
Graptolithen (Klasse Graptolithina) sind eine Gruppe aquatischer, koloniebildender Organismen. Der Begriff Graptolithen kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie »Schriftsteine«. Er wurde bereits 1735 von Carl Linnaeus, dem Erfinder der Binominalnomenklatur zur Benennung von Organismen, geprägt. Linnaeus war ursprünglich der Auffassung, dass es sich um Fossil-ähnliche, aber doch anorganische Mineralisierungen handelt. Tatsächlich gehören Graptolithen aber zu den Kiemenlochtieren, ein Tierstamm, der heute nur etwa 100 lebende Arten von Eichelwürmern und Flügelkiemern umfasst.
Ursprünglich nahm man an, dass Graptolithen nur im Paläozoikum, genauer gesagt zwischen dem mittleren Kambrium und dem Karbon (ca. 510 bis 320 Millionen Jahre), lebten. Neuere Forschungen haben allerdings gezeigt, dass eine heute lebende Gattung von Flügelkiemern (Rhabdopleura) der letzte verbleibende Graptolith sein könnte. Damit stellt die Gattung ein »lebendes Fossil« dar.
Graptolithen waren vor allem im Ordovizium und Silur weit verbreitet und stellen in Gesteinen diesen Alters häufige Fossilien. Besonders in Schiefern (Graptolithenschiefer) können sie – wie an dem ausgestellten Stück gezeigt – in großer Masse auftreten. Aufgrund der morphologisch schnellen Entwicklung der Tiergruppe sind sie gut geeignete Leitfossilien für bestimmte Zeithorizonte und können zur relativen Altersbestimmung von Gesteinen herangezogen werden.
Die meisten Vertreter hatten wahrscheinlich einen planktischen Lebensstil, das heißt sie trieben frei im Ozean, aber auch benthische (am Boden lebenden) Formen gab es. Alle Arten haben den kolonialen Lebensstil gemein. Da Graptolithen aus Proteinen aufgebaut sind und keine harten Skelettteile besitzen, sind als Fossilien nur die Abdrücke der Wohnröhren erhalten. Diese weisen eine Reihe von Kammern auf, in welchen die einzelnen Tiere (Zooide) lebten. In seltenen, gut erhaltenen Stücken wurden auch Hinweise auf die Zooide selbst gefunden.
Die Gattung Didymograptus war auf das Ordovizium beschränkt. Sie zeichnet sich durch ihre doppel-zweigige Form aus, die häufig an einer kreisförmigen, scheibenförmigen Struktur aufgehängt ist. Didymograptus enthält einige der größten Arten von Graptolithen. Wegen ihrer Bedeutung für die Altersdatierung, wurden sogar ganze Gesteinsschichten nach Vertretern dieser Gattung benannt.
Thomas A. Neubauer, München
Abbildungen:
Abb. 1: Graptolithenschiefer-Platte mit Didymograptus sp. aus dem Ordovizium von Wales. Foto: SNSB-BSPG/M. Schellenberger. Länge der Platte: ca. 25 cm.
Abb. 2: Schematische Darstellung des Körperaufbaus des Flügelkiemers Rhabdopleura. Abgeändert nach BULMAN, 1955, Treatise on Invertebrate Paleontology, Part V, Graptolithina.
Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (840 kB) bereit.
Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.