Fossil des Monats Februar 2025
Ur-Gliederfüßer
cf. Leanchoilia illecebrosa (Hou, 1987)
SNSB-BSPG 2007 XI 7
Paläozoikum (Unter-Kambrium, ca. 520 Millionen Jahre), Maotianshan-Schiefer, Maotianshan-Hügel, Chengjiang, Yunnan, China
Leanchoilia illecebrosa ist eine Art urtümlicher Gliederfüßer (Arthropoden) aus der Zeit des frühen Kambriums. Sie ist ein früher Vertreter der Megacheira, einer gänzlich ausgestorbenen Gruppe von räuberischen Gliederfüßern, die weltweit in den Meeren vom frühen Kambrium bis zum späten Ordovizium verbreitet waren. Je nach Autoren werden bis zu etwa 20 Gattungen und mehrere Familien unterschieden. Allerdings sind die Verwandtschaften innerhalb dieser Großgruppe teils umstritten.
Der Name Megacheira – zu deutsch »große Hände« – ist an die eigentümliche Morphologie mit den oft teils großen Anhängen am Kopf angelehnt, die teilweise an Arme erinnern und zumindest in manchen Gattungen auch als Fangen von Beute genutzt wurden. In einigen Gattungen hat man nachgewiesen, dass diese Anhänge sehr beweglich waren, was den Beutefang wohl erleichterte. Von manchen Megacheira-Arten nimmt man an, dass sie sich von kleineren Gliederfüßern ernährten, wie den Bradoriida, einer ebenfalls ausgestorbenen Gruppen von kleinen, doppelklappigen Gliederfüßern.
Leanchoilia illecebrosa wurde als adultes Tier bis zu 46 mm lang; unser deutlich kleineres Stück stellt möglicherweise ein nicht erwachsenes Tier dar. In ihrer Morphologie ähneln Leanchoilia illecebrosa und verwandte Arten der Megacheira heutigen Krebstieren, sie sind mit diesen aber nur entfernt verwandt. Tatsächlich ist die Verwandtschaft der Megacheira zu heutigen Gliederfüßern nicht gänzlich geklärt. In einigen Arbeiten werden sie als Stamm-Euarthropoda (»echte Gliederfüßer«) gesehen, andere handeln sie als frühe Chelicerata, wozu heute die Spinnen und Skorpione zählen.
Leanchoilia illecebrosa war eine von über 80 Arten von Arthropoden der sogenannten Chengjiang-Biota. Die Lebewelt dieser etwa 520 Millionen Jahre alten Fundstellen in Südchina ist außerordentlich gut erhalten und divers – beinahe 200 Arten wurden seit der Entdeckung 1984 bereits beschrieben. Durch die gute Erhaltung konnten bei einigen Arten auch innere Organe und Mageninhalte nachgewiesen werden, was die Aufschlüsselung von Verwandtschaften, Ernährungsweisen und Physiologie unterstützt. Auch die ansonsten äußerst seltene Erhaltung von Organismen ohne Hartteile (wie Quallen und Würmer) trägt maßgeblich zum Verständnis dieser frühen Faunen sowie der Evolution vieler Tiergruppen bei.
Thomas A. Neubauer, München
Abbildung
Abb. 1: cf. Leanchoilia illecebrosa (HOU, 1987) aus dem Unter-Kambrium von Chengjiang (China). Länge des Fossils: ca. 1 cm. Inv.-Nr. SNSB-BSPG 2007 XI 7. Foto: Thomas Neubauer
Das Faltblatt mit ausführlichen Informationen zum Fossil des Monats steht wie immer auf der Webseite der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie als PDF-Datei zum Download (2,3 MB) bereit.
Fossil des Monats ist eine regelmäßige Aktion des Paläontologischen Museums München. Hierbei werden jeden Monat besondere Fossilien aus dem Fundus der Staatssammlung ausgestellt und von Wissenschaftlern der Staatssammlung und dem Lehrstuhl Paläontologie und Geobiologie eingehend in Begleittexten und einem Faltblatt erläutert. Die Freunde der Bayerischen Staatssammlung für Geologie und Paläontologie München e.V. unterstützen diese Aktion.